Beiträge chronologisch

2. Mai 1913
Es ist sehr notwendig geworden wieder ein Tagebuch zu führen. Mein unsicherer Kopf, Felice, der Verfall im Bureau, die körperliche Unmöglichkeit zu schreiben und das innere Bedürfnis danach. Valli geht hinter dem Schwager, der morgen zur Waffenübung nach Tschotkov einrückt, aus unserer Tür hinaus.
3. Mai 1913
Die schreckliche Unsicherheit meiner innern Existenz. Curator Wie ich die Weste aufknöpfe, um dem Hr. B. meinen Ausschlag zu zeigen. Wie ich ihn in ein Nebenzimmer winke. Der Aussätzige und seine Frau. Wie sich ihr Hintere, sie liegt im Bett auf dem Bauch, immer wieder mit allen Geschwüren erhebt, trotzdem ein Gast da ist.
4. Mai 1913
Immerfort die Vorstellung eines breiten Selchermessers das eiligst und mit mechanischer Regelmäßigkeit von der Seite her in mich hineinfährt und ganz dünne Querschnitte losschneidet, die bei der schnellen Arbeit fast eingerollt davonfliegen.
24. Mai 1913
Spaziergang mit Pick. Übermut weil ich den Heizer für so gut hielt. Abend las ich ihn den Eltern vor, einen besseren Kritiker als mich während des Vorlesens vor dem höchst widerwillig zuhörenden Vater, gibt es nicht. Viele flache Stellen vor offenbar unzugänglichen Tiefen.
5. Juni 1913
Die innern Vorteile welche mittelmäßige litterarische Arbeiten daraus ziehen, daß ihre Verfasser noch am Leben und hinter ihnen her sind. Der eigentliche Sinn des Veraltens. Löwy Geschichte von der Grenzüberschreitung.
21. Juni 1913
Die Angst, die ich nach allen Seiten hin ausstehe. Die Untersuchung beim Doktor, wie er gleich gegen mich vordringt, ich mich förmlich aushöhle und er in mir verachtet und unwiderlegt seine leeren Reden hält. Die ungeheuere Welt, die ich im Kopfe habe.
1. Juli 1913
Der Wunsch nach besinnungsloser Einsamkeit. Nur mir gegenübergestellt sein. Vielleicht werde ich es in Riva haben. Vorvorgestern mit Weiß, Verfasser der Galeere. Jüdischer Arzt, Jude von der Art, die dem Typus des westeuropäischen Juden am nächsten ist und dem man sich deshalb gleich nahe fühlt.
2. Juli 1913
Geschluchzt über dem Proceßbericht einer 23 jähr. Marie Abraham, die ihr fast 1/4 Jahre altes Kind Barbara wegen Not und Hunger erwürgte mit einer Männerkrawatte, die ihr als Strumpfband diente und die sie abband. Ganz schematische Geschichte. Das Feuer, mit dem ich im Badezimmer meiner Schwester ein komisches kinematographisches Bild darstellte.
3. Juli 1913
Die Erweiterung und Erhöhung der Existenz durch eine Heirat. Predigtspruch. Aber ich ahne es fast. Wenn ich etwas sage verliert es sofort und endgiltig die Wichtigkeit, wenn ich es aufschreibe verliert es sie auch immer, gewinnt aber manchmal eine neue.
19. Juli 1913
Aus einem Hause traten vier bewaffnete Männer. Jeder hielt vor sich aufrecht eine Hellebarde. Hie und da wandte einer sein Gesicht zurück um zu sehen, ob der schon komme, um dessentwillen sie hier standen. Es war früh am Morgen, die Gasse war ganz leer.
20. Juli 1913
Unten auf dem Flusse lagen mehrere Boote, Fischer hatten ihre Angeln ausgeworfen, es war ein trüber Tag. Am Quaigeländer lehnten einige Burschen mit verschränkten Beinen. Als man zur Feier ihrer Abreise aufstand und die Champagnergläser hob, war schon Dämmerung.
21. Juli 1913
Nicht verzweifeln, auch darüber nicht daß Du nicht verzweifelst. Wenn schon alles zuende scheint, kommen doch noch neue Kräfte angerückt, das bedeutet eben, daß Du lebst. Kommen sie nicht, dann ist hier alles zuende aber endgültig. Ich kann nicht schlafen.
This is a demo site for SofaWiki